Erfolgreiche Digitalisierung durch kundenzentriertes Anforderungsmanagement

Von yawave
am 27.06.22

Digitalisierung ist in Unternehmen allgegenwärtig. Die Investitionen sind enorm. Und dadurch steigt auch das Risiko von Fehlinvestitionen. Viele Unternehmen machen immer noch den Fehler, dass sie von der Technologie bzw. dem System her digitalisieren. So kauft man in dieser Hektik die eine oder andere Technologie ohne zuerst vom Nutzererlebnis her zu planen. Dabei wäre es notwendig, sich zuerst die Frage zu stellen, wie man als Unternehmen mit all den technischen Möglichkeiten das Kundenerlebnis – oder eben die Kunden-Wertschöpfungskette – neu gestalten möchte: es gilt, vom Kunden her zu digitalisieren! 

Mit dem Kunden erwirtschaftet das Unternehmen Umsatz. Demzufolge gilt es, die ICT Systeme und Fähigkeiten darauf auszurichten, wie man zukünftig durch Kundeninteraktion Umsatz erzielt. D.h. das Ziel-Kundenerlebnis – Neudeutsch „Customer Journey“ oder „Customer Experience“ steht am Anfang der Digitalisierungsarbeiten – Technologien oder Systeme werden mittels Anforderungsdefinition daraus abgeleitet.

 

Aus unserer Erfahrung sind folgende Schritte notwendig:

  1. Entwicklung eines Customer Journey Zielbildes
  2. Definition von Soll-Capabilities und Verortung der Systeme (Ist)
  3. Identifikation der Capability Gaps
  4. Formulierung der konkreten Anforderungen
  5. Umsetzung nach Prioritäten und Roadmap

Entwicklung eines Customer Journey Zielbildes

Customer Experience, Customer Orientation oder Customer Obsession – egal wie man es nennt – ist eine Denkhaltung, eine produktive Einstellung. Eine Customer Experience Management Übersicht ist der “Führerstand” für bessere Kundenerlebnisse, der Kommandoposten für nachhaltigen Wettbewerbsvorteil.

Struktur der Customer Journey

In einem ersten Schritt ist die Struktur des Kundenerlebnisses zu definieren. Wie läuft die Kundenreise Schritt für Schritt innerhalb der sequentiellen Blöcke wie z.B. Bekanntheit, Evaluation, Kauf, Onboarding, Nutzung und Abwanderung bzw. Rückgewinnung ab? Basierend auf diesem Raster kann man festhalten, an welchen Touchpoints man Umsätze generiert (Umsatzrelevanz), wie gut man an bestimmten Touchpoints ist (Maturität) oder mit welchen Touchpoints man sich von der Konkurrenz abheben will (Differenzierung). Entscheidend für die anschliessende Ableitung der ICT Anforderungen ist, dass man das Soll-Erlebnis definiert.

 

Eine aussagekräftige Customer Journey Map beinhaltet insbesondere folgende Elemente:

  • Touchpoints von der Bekanntheit bis zur Abwanderung – was sind die relevanten Kunden-Interaktionspunkte?
  • Soll-Erlebnis Definition pro Touchpoint – wie soll das Kundenerlebnis an diesen Touchpoints idealtypisch sein?
  • Kundenprozess – wie „fliesst der Kunde durch den Funnel“ (Hauptprozess und Nebenprozesse)?
  • KPIs (wie z.B. Vistis, Nutzung oder Conversion Rates von Touchpoint zu Touchpoint) – wie ist unser Erfolg entlang dieses Kundenflusses?
  • «Bottlenecks» / Blockaden – wo sind die grössten Blockaden, die es zu lösen gilt, damit der Kundenstrom optimal fliesst?
  • Signature Touchpoints – an welchen Touchpoints wollen wir im Sinne der eigenen differenzierenden Positionierung brillieren?
  • Zuständigkeiten – wer ist für welchen Touchpoint in der Organisation zuständig und wo sind die organisatorischen Schnittstellen?
  • Ideen und Massnahmen – Welche Massnahmen braucht es, um den Soll-Zustand zu erreichen?

Customer Journey Map - Optimierung der Value Chain

Bild: Customer Journey Map — Optimierung der Value Chain

Customer Journey Performance (KPIs)

Nun gilt es, die Soll-Struktur mit Daten und KPIs anzureichern. In erster Linie geht es darum, relevante Daten pro Touchpoint zu generieren – z.B. für Bekanntheit die Social-Media-Reichweite oder Ad Impressions, für Evaluation die Anzahl der Webseiten-Zugriffe, für Kauf die Anzahl getätigter Käufe oder die Grösse der Warenkörbe, Abbruchrate, usw.

 

In einem zweiten Schritt sind diese Daten entlang der beabsichtigten Kundenreise zu verknüpfen – z.B. Anzahl der Webseiten-Besuche, welche durch die Social Media Paid Ads generiert wurden (Konversionsrate). Eine reichhaltige Datenbasis ist für eine wirksame Identifikation wichtiger Anforderungen unerlässlich. Bestehende Datenlücken gilt es zu schliessen. Basierend auf den Daten – insbesondere den Konversionsraten – können nun Schwachstellen im “Kundenfluss” identifiziert werden. Als Indikatoren für Verbesserungspotenziale können Vergleiche innerhalb der Branche oder Entwicklungsdaten über die Zeit dienen.

Optimierung der Customer Journey

Bei der Optimierung entlang des Kundenpfads hin zum Kauf dürfen Cross- und Up-Selling Potenziale nicht vergessen werden. An verschiedenen Touchpoints gibt es die Gelegenheit, Zusatzprodukte oder -dienstleistungen zu verkaufen oder bestehende Kunden auf ein höherpreisiges Angebot aufmerksam zu machen. Je nach Branche kann Cross- und Up-Selling bis zu 30% des Umsatzes ausmachen.

 

Eine grosse Herausforderung bei der Orchestrierung des Kundenerlebnisses ist die Integration von Online und Offline sowie das Abstimmen von eigenen und fremdbestimmten Touchpoints. Bei der Integration von Online und Offline gilt es zu bestimmen, welche Touchpoints mehrheitlich digital ausgeprägt sein sollen, welche Kundeninteraktionen “Multi Access”- also sowohl digital wie auch persönlich – bedient werden, und wo der persönlichen Interaktion bewusst Raum geboten wird. Wie bei einem erfolgreichen Orchester braucht es auch beim Kundenerlebnis die richtigen (digitalen) Instrumente an der richtigen Stelle.

 

Um in Richtung ICT Anforderungen vorzugehen, sind entlang der Customer Journey die digitalen Capabilities und (bestehenden) Systeme zu verorten. Denn nur aus dem Verständnis des Soll-Erlebnisses und den notwendigen digitalen Fähigkeiten lassen sich ICT Lücken und Chancen identifizieren und priorisieren.

Definition von Soll-Capabilities und Verortung der Systeme (Ist)

Capabilities sind Elemente, die umfangreicher sind und grob beschreiben, was ein Unternehmen bzw. die Digitalisierung leisten muss, damit das Sollerlebnis an einem bestimmten Touchpoint erfüllt werden kann. Dabei werden zwei Kategorien von Capabilities unterschieden: Business Capabilities und Enabler Capabilities. Business Capabilities ermöglichen direkt ein Kundenerlebnis. Wenn eine Fähigkeit nicht direkt dem Kunden zugute kommt, sondern sicherstellt, dass eine oder mehrere Business Capabilities oder Funktionen anschliessend erfüllt werden können, handelt es sich um eine Enabler Capability. So kann eine einzelne Enabler Capability an mehreren Touchpoints relevant sein.

 

Die Formulierung von Capabilities beinhaltet folgende Elemente:

  • Beschreibung der Capability
  • Aussage über den Nutzen der Capability
  • Akzeptanzkriterien inkl. anwendbare nicht-funktionale Anforderungen

Basierend auf den notwendigen Capabilities und den bestehenden Systemen können die Lücken identifiziert werden, die es zu schliessen gilt.

Identifikation der Capability Gaps

Typischerweise sind Gaps Abweichungen von Soll-Capabilities und Ist-Capabilities (aktuelle Systeme). Insbesondere durch die integrierte Betrachtung der Touchpoints zeigen sich heute die relevanten Lücken, die in der oft mangelnden Integration der einzelnen, isolierten Tools und Systeme zu finden sind.

 

Über die Zeit haben Unternehmen oft digitale Insellösungen angehäuft, die schwer zu integrieren sind. Das führt zu einem wenig überzeugenden Kundenerlebnis, das keineswegs aus einem Guss ist. Zudem muss mangelnde Systemintegration oft durch manuelle Arbeiten kompensiert werden, die sehr teuer sind. Einerseits ist klar, dass man Systemvielfalt nicht verhindern kann. Man braucht Systeme, die in einzelnen Geschäftsbereichen ihre besonderen Stärken haben. Kommt hinzu, dass solche Systemlandschaften bei den Unternehmen über die Zeit gewachsen sind. Diese kann aber besser oder schlechter integrieren.

 

Integrierende Soll-Capabilities, die entlang der digitalen Kundenwertschöpfungskette von aktuellen Systemen oft nicht bedient werden können, sind beispielsweise:

  • Consent / Permission Management über alle digitalen Interaktions-Tools wie Formulare, Feedbacks, Zahlungstools, usw. – hier generierte eine Cross Interaction Toolbox mehr Leads und Risiko-Sicherheit (die gerade im Kontext des neuen Datenschutzgesetzes oder der DSGVO hoch relevant ist)
  • Kanalübergreifende Content-Aufbereitung und -Distribution (Web, Email, Social, Print, etc.) – ein Cross-Channel Content Hub mit integriertem DAM sorgt hier für mehr Effizienz
  • Synchronisation von Content und Kontaktdaten – durch die Integration von Content und Contact können Inhalte personalisiert ausgespielt werden für mehr Relevanz
  • Content Transfer und Vererbung zwischen versch. Organisationen – in dezentralen Organisationen (Multinationale Unternehmen, Regionale Verbände, usw.) gilt es, Inhalte effizient über verschiedene Customer Journeys zu nutzen.
  • Loyalitätsmanagement, das (Touchpoint-) Interaktion und Konsumation (Käufe) gleichermassen belohnen kann – ein konfigurierbares Loyalty- & Reward-System sorgt für Bindung und Entwicklung der Kundenbeziehung

Bei einer Integration gilt es auf zwei Dinge zu fokussieren: zum einen auf diejenigen Prozessabläufe, die in der gleichen Form sehr oft vorkommen – zum anderen ein möglichst nahtloses Kundenerlebnis.

Formulierung der konkreten Anforderungen

User Stories konkretisieren die fehlenden Soll-Capabilities. Diese beschreiben die benötigte Funktionalität aus der Sicht des Benutzers, wobei das Format der Benutzerstimme verwendet wird, d. h: Als <Benutzer> möchte ich <Funktion> damit <Zweck> – daraus ergibt sich das „Wer?“, „Was?“ und „Warum?“ der Änderung. Zusätzlich werden eindeutige Akzeptanzkriterien hinzugefügt, damit die Anforderungen von einem Entwicklungsteam (Make) oder einem Software-Anbieter (Buy) ausreichend verstanden werden, um das Element zu liefern.

Umsetzung nach Prioritäten und Roadmap

Man kann nicht alles auf einmal erreichen, schon gar nicht nahtlose Kundenerlebnisse, die sich je nach Unternehmensgrösse oft über verschiedene organisatorische Abteilungen erstrecken. Zudem sollte die Digitalisierung der Customer Journey nicht als grosses Projekt verstanden werden, welches einen Anfangs- und einen Endpunkt hat – vielmehr ist es ein fokussiertes Verhalten, eine kontinuierliche Optimierungsarbeit in einer kundenzentrierten Organisation.

 

Ähnlich der agilen Softwareentwicklung werden Customer Journey Anforderungen resp. User Stories und Initiativen kontinuierlich umgesetzt – sie werden identifiziert, bewertet, geschätzt und priorisiert. Dabei erfolgt die Priorisierung basierend auf Wichtigkeit, Dringlichkeit, Maturität und Aufwand-/Nutzenverhältnis. Priorisierung heisst aber auch, bewusst ein paar wenige sogenannte “Signature Touchpoints” zu bestimmen, die das eigene Unternehmen nachhaltig von der Konkurrenz absetzt. Customer Journey Optimierung ist die Kunst der kleinen Schritte, mit ein paar bewusst gross gesetzten Fussabdrücken.

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