Gemeinde Horw x yawave
Digitalisierung in der Gemeinde Horw
Die Digitalisierung macht auch vor Gemeinden und Städten nicht halt. Um die Anforderungen an eine Einwohner/innen-zentrierte Digitalisierung besser ableiten zu können, erarbeitete die Gemeinde Horw eine detaillierte «Experience Map» – vom Zuzug über das Wohn- und Arbeitsleben bis zum Wegzug oder Ableben. Basierend auf diesem detaillierten Einwohnerpfad kann das physische und digitale Erlebnis gezielt orchestriert werden, um wirksame Massnahmen in Bezug auf die Gemeindeattraktivität und Digitalisierung abzuleiten.
Ausgangslage
Die Gemeinde Horw – ein Zuhause für rund 14’600 Menschen, eingebettet in eine malerische Umgebung mit dem Vierwaldstättersee, zahlreichen Bergen und der pulsierenden Stadt Luzern. Solche Standortfaktoren spielen auch heute eine zentrale Rolle für die Wohn- und Arbeitsattraktivität, welche eine Kommune ausstrahlt. Doch in einer schnelllebigen Zeit mit immer flexibleren Lebens- und Arbeitsformen und einer zunehmenden Digitalisierung wäre es fatal, sich auf solchen gegebenen Faktoren auszuruhen. Vielmehr muss man auch als Gemeinde oder Stadt seine eigentliche Existenzberechtigung, die Einwohnerinnen und Einwohner und deren Bedürfnisse ins Zentrum des eigenen Wirkens stellen.
Für die Gemeinde Horw stellte sich die Frage, wie man die Reise von verschiedenen Zielgruppen innerhalb eines Bürgerlebens einerseits sichtbar machen und andererseits durch die konsequente Einnahme der Einwohnersicht besser verstehen kann. Die Handlungsrelevanz, einen solchen Prozess gezielt anzustossen und auszuleben, wurde durch verschiedene Herausforderungen und Fragestellungen zusätzlich vergrössert:
- Bürgerorientierte Digitalstrategie
Gerade eine Behörde hat in Bezug auf Ausgaben eine hohe Verantwortung und Rechenschaftspflicht gegenüber der Bevölkerung. Um die Wirksamkeit von Massnahmen im Rahmen der digitalen Transformation zu garantieren, soll eine künftige Digitalstrategie konsequent an den Einwohnern, deren Lebensphasen und den darin vorhandenen Bedürfnissen ausgerichtet werden. Doch wie kann man diese Bürgersicht überhaupt einnehmen?
- Hybrides Gemeindeerlebnis
Ein aktives und nahbares Gemeindeleben baut massgeblich auf physischen Kontaktpunkten auf. Dies schliesst jedoch nicht aus, dass digitale Dienstleistungen der Gemeinde Bedürfnisse gewisser Einwohner-Zielgruppen besser und schneller lösen können und sich im Gegenzug transaktionale Vorgänge für die Gemeinde effizienter ausgestalten lassen. Wie kann man sowohl physische als auch digitale Kanäle am richtigen Ort in das Einwohnererlebnis einbinden?
- Erfassung von Interaktionsqualität in Gemeinden
Eine Gemeinde stellt für seine Einwohner/innen oft ein Lebensmittelpunkt dar. Interaktionen zwischen der Bevölkerung und der Kommune sind dabei unabdingbar. Wie können die wichtigen Faktoren Interaktionsfrequenz und -qualität an den einzelnen Kontaktpunkten sichtbar gemacht werden?
- Einwohner-Servicekonsolidierung für Smart City
Im Laufe der Jahre ist die Zahl der verschiedenen Systeme und Applikationen rund um die Einwohner-Dienstleistungen stark angewachsen, dabei sind gewisse Applikationen auch vom Kanton vorgegeben. Wie kann ein umfassenderes Verständnis über die gesamte Einwohner-Journey in Bezug auf künftige Prioritäten der Digitalisierung bis hin zu Smart City gewonnen werden?
- Touchpoint-Orchestrierung für Multi-Access-Erlebnisse
Zwischen der Kommune mit ihren verschiedenen Departementen, Mitarbeitenden, dem Einwohnerrat und der Bevölkerung bestehen unzählige Touchpoints in verschiedenen Phasen. Wie sehen die Zuständigkeiten zwischen den verschiedenen internen und externen Stellen aus und wie können diese so orchestriert werden, dass für die Bevölkerung ein ganzheitliches «Multi-Access» Erlebnis entsteht?
- Service-Exzellenz zur Bevölkerungsbindung
Für Horw und die Region Luzern geht es heute nicht mehr nur darum, die eigene Attraktivität als Wohn- und Arbeitsort zur permanenten Einwohnergewinnung zu steigern. Es stellt sich heute auch zunehmend die Frage der Bevölkerungsbindung. Wie kann die Gemeinde also «Service Excellence» entwickeln, welche die Ortschaft nicht nur gegen aussen attraktiver macht, sondern die bestehende Bevölkerung auch gezielt an die Gemeinde bindet?
«Das Soll-Bild des Erlebnispfads gibt uns Orientierung und hilft bei der Priorisierung von Massnahmen der Digitalisierung. Mit yawave konnten wir das Konzept der Customer Journey wirksam auf unsere Gemeinde anwenden.»
Ruedi Burkard
Gemeindepräsident Horw
Lösung
Um diese Fragestellungen zu klären und das übergeordnete Ziel eines durchgängigen Einwohnererlebnisses zu erreichen, wurde ein sogenanntes Experience / Journey Mapping durchgeführt. So konnten auf einem grossen «Big Picture» sämtliche Kontaktpunkte der Gemeinde mit ihren Einwohnerinnen und Einwohnern gezielt zu einem Gesamt-Erlebnis zusammengeführt werden.
Dieses Vorgehen eignete sich gerade auch aus folgenden Gründen:
- Erschaffen eines gemeinsamen Zielbildes, an welchem sich die ganze Gemeinde und alle Departemente orientieren können
- Einnehmen der Einwohnersicht, indem man den Erlebnispfad von der Bekanntheit durch Standortmarketing bis zum Wegzug durchläuft
- Verknüpfen der einzelnen Kontaktpunkte zu einem orchestrierten Ablauf und Berücksichtigung der vorhandenen Abhängigkeiten
- Vermeiden von potenziellen Departement-Silos
- Nutzen von Synergien über die gesamte Einwohnerreise hinweg
- Verhindern von isolierten Handlungsmassnahmen
- Illustrieren von Mengengerüsten (z.B. Anzahl der Prozesse) und Ableiten von Prioritäten, da alle vorhandenen Potenziale, sichtbaren Lücken und aufgekommenen Handlungsfelder direkt miteinander vergleichbar sind
Als Grundlage für das «Big Picture» dienten diverse Interviews mit dem Gemeinderat und Schlüsselmitarbeitenden. So konnte man nicht nur gezielt Informationen und Detailwissen direkt in die Experience Map einfliessen lassen, sondern im Laufe der Zeit auch einen genaueren Sinn für die gemeinsame Stossrichtung des künftigen Einwohnererlebnisses entwickeln.
Die verschiedenen Herausforderungen und Fragestellungen wurden in der Map sowohl inhaltlich als auch visuell abgeholt. Auf der einen Seite werden strategische Themen wie emotionale und rationale Einwohner-Bedürfnisse und die festgehaltene Vision und Strategie (Leitbild, Marketingmerkmale inkl. aktueller Reifegrad und Positionierung) festgehalten. Diese geben die Richtung vor für die Definition des Soll-Erlebnisses.
Den grössten Teil der Experience Map stellt der Erlebnispfad dar – also die konkrete Reise, die ein Einwohner vom Standortmarketing und dem Zuzug bis zu einem allfälligen Wegzug durchläuft. Hierfür wurden sämtliche Kontaktpunkte der Gemeinde mit ihrer Bevölkerung genau aufgeschlüsselt und analysiert. Insgesamt 43 Touchpoints bilden gemeinsam das Gesamterlebnis «Horw» – diese einzelnen Kontaktpunkte gilt es zu einer durchgängigen Bürgerreise zu verknüpfen. Neben einer detaillierten Beschreibung wurden insbesondere auch folgende Aspekte bei jedem einzelnen Kontaktpunkt genauer beleuchtet:
Gerade die Perspektive Einwohnervorfälle (Art, Anzahl, Aufwand) hatte innerhalb des Projekts einen hohen Stellenwert, da diese eine wichtige Grundlage für gezielte und priorisierte Digitalisierungsbemühungen spielt. Die zentrale Frage lautete also: Wie kann man das Volumen, die Art und den Zeitaufwand der Einwohnerfälle (Anfrage, Mutationen, Bewegungen, etc.) an den verschiedenen Kontaktpunkten sichtbar machen, um gezielt Massnahmen an stark frequentierten Touchpoints abzuleiten? Um diese Frage zu beantworten wurde jeder Kontaktpunkt auf die Art der Vorfälle, den konkreten Zeitaufwand, die Quantität (Anzahl Fälle) und die Gesamtvolumen (relativ innerhalb der Gemeinde) überprüft. Dieses Vorgehen adressiert mehrere Fragestellungen (s.o.) – indem rein transaktionale und häufig wiederkehrende Vorfälle gezielt digitalisiert werden, das Erlebnis der Bürger/innen anhand einer klaren Datenlage verbessert bzw. digital ergänzt wird und letztlich die Investitionen in relevante, häufige Vorfälle fliessen (Digitalisierungsaufwand pro Vorfall -> max. ROI).
Um den digitalen Reifegrad zu bestimmen und Lücken in Bezug auf digitale Fähigkeiten sichtbar zu machen, wurde auch das bestehende Applikations-Portfolio inventarisiert und für jeden einzelnen Kontaktpunkt analysiert. So sieht die Gemeinde Horw mit einem Blick, an welchen Stellen innerhalb des Einwohnerpfades noch offene Baustellen vorhanden sind.
Ergebnis
Die Gemeinde Horw hat es geschafft, einen kundenorientierten Konzeptansatz erfolgreich auf den «Public Sector» anzuwenden. Mit der strukturierten und visualisierten Sicht auf den gesamten Bürgererlebnispfad hat die Gemeinde Horw einen einheitlichen Blick auf sämtliche Interaktionspunkte mit der Bevölkerung und die damit verbundenen Leistungskomponenten der Verwaltung.
Das «Big Picture Einwohner Erlebnispfad Horw» schafft es, die verschiedenen Departemente und Einwohnerräte auf ein gemeinsames Zielbild auszurichten, eine gemeinsame «Sprache» hinsichtlich Einwohner-Kontaktpunkte zu entwickeln, und neuen Mitarbeitern und Lieferanten schneller Orientierung über die Gemeindeabläufe zu vermitteln – es schafft Transparenz und Orientierung. Nicht zuletzt deswegen hängt dieser Einwohner Erlebnispfad prominent im Gemeinderatssaal (siehe Abbildung unten).
Insbesondere aber wurde dadurch ein Fundament geschaffen für eine wirkungsvolle Digitalisierungsstrategie. Das «Big Picture» ermöglicht durch die Verortung der Digitalisierungsanforderungen und Applikationen entlang der Kontaktpunkte sowohl die Priorisierung und ganzheitliche Betrachtung wichtiger Digitalisierungsinitiativen, wie auch die Depriorisierung von bestehenden Applikationen und die damit verbundene Optimierung der Betriebskosten.
Erfolgsfaktoren
Auf dem Weg zum vorhin beschriebenen Ergebnis waren diverse Faktoren entscheidend:
- Kreativer Tranfser kundenorientierter Methoden in den öffentlichen Sektor
- Strukturierung Soll-Erlebnis und Prozesse (Experience & Process Mapping)
- Formulierung des Zielerlebnisses pro Touchpoint aus Sicht Bürger / Bürgerin
- Verortung der Einwohnervorfälle (Art, Anzahl, Aufwand)
- Verortung der bestehenden Applikationen
- Involvierung des Gemeinderats mit Interviews und einem Workshop
- Offenheit und Mitwirken der Auftraggeber und Projektleiter