Beitrag 6 | 02. September 2021
Vereine und Verbände können es sich im heiss umkämpften Sportmarkt nicht leisten, die Fan-Sicht zu vernachlässigen. Es liegt dabei im Interesse jeder Sportorganisation, dass die Fans nicht nur angehört, sondern durch eine gezielte Fan-Aktivierung und Teilhabe in die Organisation eingebunden werden. Diese Fan-Zentrierung zeichnet sich dabei nicht durch einen kurzfristigen Projektcharakter aus, sondern durch eine kontinuierliche Generierung von relevantem Fan-Wissen, durch welches das Verhalten, die Einstellungen und die Meinungen der Fans gezielt in die Vereins- oder Verbandsentscheidungen einbezogen werden können.
Was wäre der Sport ohne frenetische Anhänger/innen, welche dem spezifischen Sport, den einzelnen Wettbewerben, den unterschiedlichen Vereinen und den einzelnen Spieler/innen in Höhen und Tiefen die Treue halten? Viele Sportakteure mussten sich lange nicht eingängig mit dieser Frage befassen, da der Zuschauerzustrom stets stabil blieb oder das Interesse sogar zunahm. Gesellschaftliche Trends wie Individualisierung oder Konnektivität, eine immer grösser werdende Konkurrenz im Freizeitbereich und zunehmende Fan-Forderungen führten in der nahen Vergangenheit auch bei Vereinen und Verbänden zu einem wachsenden Bewusstsein, dass Fans die zentrale Anspruchsgruppe mit nicht vernachlässigbaren Bedürfnissen sind. Gerade die teilweise einschneidenden Einschränkungen aufgrund der COVID-19 Pandemie, welche den direkten Kontakt von Fans mit ihrem Verein erschwerten, verschärften den Kampf um die Anhänger/innen. Dies sah man exemplarisch bei Fans der Raiffeisen Super League (heute Credit Suisse Super League), deren Mehrheit sich seit der Pandemie zunehmend distanzierter vom eigenen Herzensclub fühlte, was zunehmend Bemühungen von Seiten der Sportorganisationen nötig macht (Müller, 2021). Fans sind also keine natürliche Ressource, sondern müssen von Jahr zu Jahr, von Wettbewerb zu Wettbewerb und von Spieltag zu Spieltag wieder gewonnen werden.
Fan-Zentrierung ist kein Projekt
Fan-Zentriertheit entfaltet in einer Sportorganisation erst die volle Wirkung, wenn sie von sämtlichen Personen gelebt wird, vom Präsidenten über die Verwaltungsrätin bis hin zum Foodbox-Teilzeitbeschäftigten. Es handelt sich dabei nicht um die zwanghafte Einnahme der Fan-Sicht, sondern die Denkweise beruht auf der Überzeugung, dass Fans die wichtigste Zielgruppe einer Sportorganisation sind. Vereine und Verbände mit einer gelebten Fan-Zentrierung glauben daran, dass eine ganzheitliche Einbindung der Anhängerschaft in das Vereins- und Verbandsleben, die zu bewältigenden Aufgaben und die täglichen Entscheidungen in verschiedenen Bereichen nicht nur eine natürliche Bindung, Loyalität und emotionale Schubkraft generieren, sondern dieser Weg auch zu besseren und ganzheitlicheren Entscheidungen mit einer höheren Akzeptanz und einem stärkeren Impact führen. Fan-zentrierte Verbände und Vereine leben dabei nach dem Motto: «Nicht die Sportorganisation soll ein Teil des Fan-Lebens sein, sondern der Fan soll zu einem festen Bestandteil der Organisation, des angestrebten Weges und der verankerten Werte werden».
Die Annahme, dass durch einzelne Bemühungen und Fan-Engagement-Massnahmen eine gelebte Fan-Zentrierung in einer Sportorganisation entstehen kann, ist nicht nur falsch, sondern auch gefährlich. Vielmehr braucht es diverse Massnahmenstränge und einen langfristigen Mindset der verantwortlichen Stellen über sämtliche Vereins- und Verbandssilos hinweg, um nachhaltig eine Fan-Zentriertheit in der eigenen Organisation verankern zu können. Mögliche Ansatzpunkte von Massnahmen für die Verankerung einer konsequenten Fan-Sicht sind vielfältig und müssen von Organisation zu Organisation angepasst werden. Zu Beginn muss dabei zwingend am Denken und der Einstellung gegenüber den Fans gearbeitet werden. Helfen kann dabei eine Anerkennung der Fans als zentrale Anspruchsgruppe in der eigenen Vision oder eine Verankerung von Verhaltensweisen in einer Fan-Charta. Organisationsstrukturelle Anpassungen (z.B. eine Stabstelle für Fan-Angelegenheiten) oder ein Aufbau einer eigenständigen Fan-Abteilung, welche sich sämtlichen Fan-Themen widmet, können den Weg zur Fan-Zentrierung beschleunigen. Ein weiteres Puzzle-Teil ist das Fan-Wissen. Sportorganisationen müssen sich bewusst sein, dass ohne kontinuierliche Erhebung von Fan-Daten mittels Fan-CRM oder Performance Monitoring Tools die Verhaltensweisen, Bedürfnisse, Ansichten und Einstellungen der Anhängerschaft nicht zugänglich werden und somit die Fan-Sicht nicht in die eigenen Entscheidungen und die laufende Angebotsentwicklung einbezogen werden können. Der Königsweg ist dabei, wenn man solche systemischen Massnahmen mit partizipativen Elementen wie Votings, Abstimmungen, Umfragen, Fan-Panels, Gremien oder Fan-Räten kombiniert. So wird nicht nur direkt Wissen generiert, sondern auch eine natürliche Einbindung der Anhängerschaft erreicht.
Treiber und Interessen als Startpunkt der Fan-Beziehung sehen
Zwei der grundlegenden Bestandteile des Fan-Wissens bilden mögliche Treiber und Interessen der eigenen Anhänger/innen. Auf diesem Fundament kann eine Sportorganisation die Fan-Beziehung aufbauen und gezielte Strategien in Bereichen wie Ansprache, Content-Generierung, Engagement-Massnahmen und Experience-Gestaltung erarbeiten – sowohl für die gesamte Fan-Gemeinde als auch für den einzelnen Fan. Es liegt dabei an den Vereinen und Verbänden, dieses Wissen bei den eigenen Fans zu erfassen, da es zwischen den verschiedenen Fan-Lagern teilweise Unterschiede geben kann.
Blickt man auf den Schweizer Spitzenfussball, sieht man, dass regionale Bezugspunkte die wichtigsten Gründe für eine Liebe, Identifikation und Bindung zum Herzensverein sind. Diese regionale Verankerung gilt es als Sportorganisation gezielt auszuspielen und mit Kampagnen in das Selbstverständnis der Region zu implementieren. Für den Aufbau von Kindheitserfahrungen mit dem Verein ist es essenziell, dass Kinder bereits im jungen Alter mit einem Verein in Berührung kommen. Das kann durch einen attraktiven Family Corner im Stadion, durch verschiedene Kampagnenansätze (z.B. Geschenkbox für alle Neugeborenen in der Region, Verlosung von Meet & Greet und Spielbesuchen bei regionalen Fussballvereinen, etc.) oder interaktiven Massnahmen wie einem Kids-Club, Sommer-Lager oder Vereins-Events in den einzelnen Ortschaften erfolgen. Sportorganisationen müssen sich bewusst sein, dass die Intensität und das Ausmass der Bemühungen zur Generierung einer Bindung und Identifikation mit jedem Altersjahr steigen. Ein wesentlicher Treiber kann auch die Authentizität darstellen, weshalb eine Sportorganisation ein klares Bild mit eigenen Werten gegen aussen transportieren sollte. Eine lebhafte Fan-Community mit einem engen und emotionalen Bezug zum Verein kann ebenfalls ein wichtiger Grund sein, weshalb sich Fans zu einem bestimmten Verein hingezogen fühlen (Müller, 2021).
Um dem Informations- und Unterhaltungsbedürfnis der Fans gerecht zu werden, ist es für eine Sportorganisation unabdingbar, die zentralen Fan-Interessen zu kennen und diese in die eigene Content-Strategie einzubinden. Schaut man wiederum auf die erhobenen Fan-Interessen im Schweizer Spitzenfussball, erkennt man schnell, dass Themen rund um den Spielbetrieb ganz oben auf der Prioritätenliste der Fans stehen. Aber auch Themen rund um die regionale Bedeutung oder die Historie des Vereins müssen von Vereinen der höchsten Schweizer Fussballliga zwingend beachtet werden. Fans wollen also neben Kern-Themen des Spielbetriebs auch Geschichten rund um die Verankerung und Wirkung auf die Region hören und in längst vergangenen Zeiten und Erfolgen schwelgen (Müller, 2021).
Systematisches Fan-Wissen generieren
Um als Sportorganisation ein vertieftes Fan-Verständnis zu erlangen, braucht es die nötigen Systeme und Instrumente zur Erhebung von Fan-Daten. Mit den passenden Instrumenten und Tools bekommt ein Verein oder Verband die Möglichkeit, die Art, das Ausmass und die Intensität von sämtlichen Fan-Interaktionen sichtbar zu machen und so den Fan vertieft zu verstehen. Ein integriertes Fan-CRM schlüsselt nicht nur sämtliche Content-Interaktionen und Engagement-Aktivitäten der einzelnen Fans wie Shares, Käufe oder die Teilnahme an Veranstaltungen und Gamification auf, sondern eine Sportorganisation kann auf dieser Grundlage auch verhaltensbasierte Fan-Segmentierungen erstellen. Diese bilden in einem nächsten Schritt wiederum das taktische Fundament für die Angebotsgenerierung und die individuelle Ansprache und Beziehungspflege bei den einzelnen Fans und Fan-Typen.
Zentral für operative und strategische Aktivitäten eines Vereins oder Verbands sind dabei die mit den einzelnen Fan-Profile verbundenen Fan-Values. Diese bestehen aus zahlreichen Einzelwerten wie der Art des nachgefragten Contents, der Art und Intensität der Interaktionen, der Einflussnahme und Positionierung innerhalb des Fan-Netzwerks, dem Interaktionswert, den verschiedenen Conversions (Tickets, Merchandising, Food & Beverage, Spenden, etc.) oder der Reichweite, welche ein Fan mitbringt. Dieser Fan-Value besitzt eine grosse Aussagekraft und Relevanz für die Fan-Segmentierungen, um in weiteren Schritten spezifisch mit den verschiedenen Fan-Clustern interagieren zu können. Wichtig dabei ist, dass stets eine offene und transparente Kommunikation über die Datengenerierung erfolgt und die Daten nur für die eigene Angebotsentwicklung und ein besseres Fan-Verständnis verwendet werden. Wie in anderen Bereichen ist auch bei dieser Thematik eine nachhaltige Vertrauensbasis unabdingbar.
Sportorganisationen besitzen in der heutigen Zeit die einmalige Chance, sich Schritt für Schritt als Medienhaus zu etablieren. Dafür brauchen Verbände und Vereine die passenden Instrumente und Systeme, um in Echtzeit Fan-Wissen zu generieren, dieses zu einem Gesamtbild zu aggregieren und automatisiert für individuelle Marketingaktivitäten zu nutzen. Möglichkeiten zu Performance Monitoring stellen den perfekten Spielzug dafür dar. Sportorganisationen können so in Echtzeitansicht sämtliche Fan-Aktivitäten wie Plattformbesuche, Engagement-Rates oder Conversions verfolgen, inhaltliche Vorlieben der Fans sichtbar machen oder Fan-Netzwerke und zentrale Einflussnehmer in der Fangemeinde identifizieren. Die Verknüpfung von Performance-Daten mit Marketing Automation bildet dabei den wesentlichen Schlüssel für gezieltes Fan-Engagement im digitalen Zeitalter.
Die Fans auf ihrer persönlichen Reise begleiten
«Kein Fan ist wie der andere!»: Diese Aussage kann sich nicht nur auf die einzelnen Interessen, Ansichten und Einstellungen beziehen, sondern auch auf die unterschiedlichen Phasen innerhalb einer Fan Journey, in welcher sich ein Fan gerade befindet. Diese unterschiedlichen Phasen bringen verschiedene Fan-Einstellungen und -Bedürfnisse mit sich, was wiederum spezifische Massnahmen von Seiten der Sportorganisation nötig macht. Genau an diesem Punkt zeigt sich die Relevanz von einer personalisierten Fan-Welt, welche ein Verein oder Verband aufbauen muss. Diese Fan-Welt muss dabei auf den herausgearbeiteten Personas aus dem vorangehenden Absatz aufbauen und Rücksicht auf die Position der einzelnen Fans innerhalb der Fan Journey nehmen. Denn Anhänger/innen einer Sportorganisation geben sich heute nicht mehr mit einem allgemeinen Fan-Kontakt zufrieden, sondern wollen personalisiert und individuell in Bezug auf die aktuell vorhandenen Bedürfnisse angesprochen und abgeholt werden.
Um die Reise der Fans aufzuzeigen, gibt es verschiedene Modelle. Eine Möglichkeit bildet die sogenannte Lebensabschnittsperspektive. Dabei wird bei jedem einzelnen Fan geschaut, in welcher Lebensphase er/sie sich aktuell befindet. Auf der Grundlage dieser Einordnung wird der Fan individuell behandelt und bespielt. Ein Beispiel gefällig? Nachdem Mike bereits als kleiner Junge die Spiele mit seinem Vater besucht hat, war er in seinen Jugendjahren in der aktiven Ultraszene unterwegs. Heute als 37-jähriger Geschäftsmann, Hausbesitzer und Familienvater besucht er die Spiele mit seiner Familie im Family Corner. Im Vergleich zu seinem Jungendalter befindet sich Mike aktuell also in einer komplett anderen Lebensphase, was sich auch auf seine Bedürfnisse, Einstellungen und bevorzugten Interaktionskanäle auswirkt. Eine Sportorganisation muss angepasst auf seine aktuelle Lebensphase mit Mike interagieren und dabei auch entstehende Potenziale ausnutzen, wie beispielsweise die gezielte Bindung von Mikes Kindern.
Neben einer klassischen Customer Journey, in welcher die verschiedenen Journey-Phasen, Touchpoints, Erlebnissignale, Emotionslevel und Pleasure- bzw. Pain Points auf der kurzfristigen Reise vom einen zum nächsten Wettkampfstag sichtbar gemacht werden, dürfen Sportorganisationen auch die langfristige Sicht nicht aus den Augen verlieren. Das Modell der langfristigen Fan Journey zeigt dabei die kontinuierliche Reise von Fans innerhalb des gesamten Fan-Lebens. Die Gesamt-Journey besteht dabei aus zwei einzelnen Journeys, in welchen sich Fans je nach Engagement-Ausprägung (Zeitaufwand + Emotionslevel + Involvement) befinden. Fans mit einem hohen Engagement-Level sind in der aktiven und solche mit einem kurz- bis mittelfristig geringen Engagement in der passiven Journey. Innerhalb eines Fan-Lebens kann es immer wieder zu aktiveren und passiveren Phasen kommen. Auch als aktiver Fan mit einer hohen Loyalität kann man zu bestimmten Zeitpunkten wie beispielsweise während einer längeren Wettkampfpause im Sommer oder bei sich kurzzeitig ändernden Lebensumständen bzw. Interessenslagen in die passive Fan Journey fallen. Diese passive Fan Journey besteht aus den drei Phasen «Sport Awareness», «Club Consideration» und «Club Conversion». In der ersten Phase besitzt der Fan ein generelles Grundinteresse für die spezifische Sportart und verfolgt diese unterschwellig und unregelmässig mit. In der nächsten Phase «Club Consideration» interessiert sich der Fan zunehmend für einen bestimmten Verein oder eine spezifische Mannschaft und befasst sich intensiver mit der Materie. In der letzten Phase der passiven Journey verfolgt der Fan die Sportorganisation aktiv mit, entweder durch den direkten Stadionbesuch (Kauf von Einzelticket) oder einen digitalen Zugang (Fan-Plattform/App, Pay-TV, etc.). Wenn ein Fan aufgrund seiner Engagement-Ausprägung in der aktiven Journey zirkuliert, macht er konkrete Erfahrungen und Erlebnisse mit dem Verein (diverse Einzel-Experiences durch Content, Stadionbesuche, digitale Verfolgung des Vereins, Fan-Plattform/App, etc.). Eine positive Gesamt-Experience sorgt schlussendlich dafür, dass sich in einer letzten Phase («Club-Fan-Loyalty») eine Vereinstreue entwickelt. Diese Loyalität kann durch spezifische Programme (z.B. Fan-Punkte für mehr Engagement) zusätzlich verstärkt werden. Auch gezieltes Fan-Engagement kann innerhalb der Experience-Phase eine langfristige Loyalität und Identifikation generieren (Müller, 2021).
Zentrale Faktoren für ein tiefgründiges Fan-Verständnis
Unternehmen, welche die eigenen Kund/innen nicht kennen, können im heutigen Geschäftsumfeld nicht mehr bestehen. Dieser Umstand trifft immer mehr auch auf Sportorganisationen zu. Mit den folgenden zentralen Punkten schaffen es Vereine und Verbände, ein Fan-Verständnis zu generieren:
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AUTOREN
QUELLEN
Müller, P. (2021). Fan-Engagement im Schweizer Spitzenfussball. [Unveröffentlichte Bachelorarbeit], Hochschule Luzern Wirtschaft.
yawave. (2020). Digitalisierung bei Sportclubs. Abgerufen am 16.04.2021 von https://app.yawave.com/yawave/publication/digitalisierung-sport